Weiher ein Ort, eine Kirche, eine Geschichte

Im malerischen Quellgebiet der Isen, wo sich vier kleine Bäche zum gleichnamigen Fluss verbinden, liegt in eindrucksvoller Endmoränenlandschaft die Ortschaft Weiher. Die durch die Rückstände der Eiszeit geformte Natur, die weiß getünchte Kirche und der in Bayern dazugehörige Wirt machen diesen Flecken Erde zu einem der stimmungsvollsten an der Isen. Die Anfänge Weihers liegen im Dunkeln der Geschichte; vermutlich schon in römischer Zeit dürfte es aber in Weiher eine Kirche gegeben haben; sowohl der Ortsname „Weiher“ (von lateinisch „vivarium“ = „Gehege / Fischteich“) als auch eine mögliche Römerstraße in der Nähe legen dies nahe; die Lage dieses Weges lässt sich aus der Verbindung von einschlägigen Ortsnamen erschließen: Straßmaier – Lichtenweg – Am Strich – Altweg (lat. alta = hoch) – Steingassen – Weg. Weiher1 Auch die Vergabe von Kirchenpatrozinien war immer der Mode unterworfen, und der heilige Diakon Laurentius, der für seinen christlichen Glauben am 10. August 258 auf einem Rost zu Tode gemartert wurde, war gerade bei Römern sehr beliebt ! Weiher könnte also in dieser Zeit schon ein Gotteshaus gehabt haben. Diese Schlussfolgerung ist allerdings nicht absolut sicher, da das Laurentius-Patrozinium nach der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August 955 wieder sehr populär wurde.

Erstmals urkundlich erwähnt wird Weiher am 26. März 825: „tradidit propriam alodem suam … ad Uuiuiningas“; ein Subdiakon namens Podalunc übergab dem Freisinger Bischof sein Erbgut („alodem“) bei „Wiviningas“ – so die damalige Schreibweise. Wiederum in einer Freisinger Urkunde, einer sogenannten Tradition, findet sich die nächste Erwähnung Weihers, als der Freisinger Bischof Waldo 903 einen Tauschvertrag schließt: „ad Uuiuuare curtam cum aedificio cuncto atque hobas II et prata omnia ad eas pertinentia necnon mancipia X ceteraque illuc pertinentia“, zu deutsch: „bei Wiware ein Gehöft samt ganzem Gebäude und 2 Huben und alle dazugehörigen Felder und auch 10 Leibeigene und alles, was dorthin gehört“. Man kann wohl annehmen, dass zu dieser Zeit ein bäuerlicher Edelsitz und zwei normale Bauernhöfe in Weiher vorhanden waren. Aus dem Jahre 1251 wissen wir, dass der Graf von Wasserburg in „Weyarn apud Burckhrain“ („Weiher bei Burgrain“) fünf Männer und sechs Frauen als Leibeigene zu Lehen an den Freisinger Küchenmeister Ulrich weitergab, der auch das Vogteirecht, das heißt die weltliche Gerichtsbarkeit, über die Kirche in Weiher ausübte. Weiher2 Später wurde es üblich, dass der Burgrainer Pfl eger die Vogtei im Herrschaftsgebiet inne hatte, doch 1461 kam es zu einem Streit, da das Isener Stift von Weiher aus die Vogtei ausüben wollte – gegen den Burgrainer Pfleger. Zu einem ganz anderen – merkwürdigen – Streit kam es im Jahre 1705. Der Burgrainer Amtmann Hans Enninger bewarb sich um das Recht, bei Hochzeiten und Kirchtagen vor den Wirtshäusern die Kegel aufsetzen zu dürfen – gegen entsprechendes Salär! Damit geriet er in Konflikt mit Kürmeier, dem Mesner von Weiher, der folgendes zu Protokoll gab: „daß ich wie meine Vorfahren jedesmahl am Khürchtag die Kögl auf dem zu meinem Mößnerhaus gehörigen Grund aufsez und von jedem gespiehl, wan die jungen Pursche Kögl geschiben, etwan 1 kr. begehren derff.“ Für den armen Mesner wäre der Kreuzer eine notwendige Gehaltaufbesserung gewesen, durchgesetzt aber hat sich der Amtmann. Alle bisherigen schriftlichen Nennungen standen in Zusammenhang mit Verträgen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen; selbstverständlich erscheint „Weiher“ auch immer wieder in Steuerverzeichnissen, den sogenannten Salbüchern. So gab es 1437 zwei Huben (Peter, Hänsel Leuthold), 1461 die Hube „maister“ und den Leuthold, 1557 die Anwesen von Leuthold und Habed, die ihre Abgaben in Burgrain beim Pfl eger abgaben; Steuern an das Isener Kollegiatstift wurden 1267 von einem namentlich nicht bekannten Bauern, 1557 von einem Kirmayr und einem Mayr entrichtet. Aber auch in Freisinger Besitzverzeichnissen – Urbare genannt – findet sich Weiher: so gehörte dem Freisinger Bischof 1180 in Weiher eine Schmiede („beneficium armentarium“), 1305 zwei Huben und 1800 ein Maierhof. Für das Jahr 1739 ist es möglich, ein Hofverzeichnis für Weiher zu erstellen – manche Hausnamen gibt es noch heute: Kirmayer, Mayer, Häberl, Loidl und Müller. Letzterer hatte den kleinsten Hof und musste seine Abgaben zur Aufrechterhaltung der Kirche in Weiher bezahlen. Weiher3Im Jahr 1785 werden zur Kirche in Weiher 133 Seelen gezählt. Weiher, das in unmittelbarer Nähe zur Grafschaft Haag lag, gehörte beinahe ein Jahrtausend zur Herrschaft Burgrain, war also letztlich dem Bischof von Freising unterstellt; dieser große kirchliche Einfluss wurde durch die Säkularisation im Jahre 1803 radikal beendet, als sich staatliche Regenten an kirchlichem Eigentum dem damaligen Zeitgeist entsprechend schadlos halten konnten – die Herrschaft Burgrain und somit auch Weiher wurden Bestandteil des Königreiches Bayern. Gleichsam Ouvertüre für die Säkularisation in unserer Gegend war die Schlacht bei Hohenlinden am 3. 12. 1800, bei der sich französische Soldaten und ein bayerisch-österreichisches Koalitionsheer gegenüberstanden. Weiher war nicht unmittelbar mit Kampfhandlungen konfrontiert, aber am Tag der Schlacht zog eine österreichische Kolonne unter Feldmarschall-Leutnant Maximilian Baillet von Latour (1737 – 1806) von Winden, Oberndorf und Niesberg herkommend über Schnaupping nach Weiher, überquerte dort um ca. 10.00 Uhr die Isen und marschierte weiter nach Mittbach. Natürlich änderte sich nach 1803 nicht alles. Weiher war schon – soweit man es nachweisen kann – seit 1604 Teil der sogenannten Obmannschaft Schnaupping; man hat sich darunter eine Art Verteidigungsbündnis gegen mögliche Feinde vorzustellen. Der kleine Weiler sollte weiterhin zur Gemeinde Schnaupping und somit zum Landkreis Wasserburg gehören. 1971 schlossen sich die Gemeinden Westach, Schnaupping und Isen zur Marktgemeinde Isen zusammen, durch die Gebietsreform vom 1.7.1972 wurde der Landkreis Wasserburg aufgelöst, Weiher gehört seitdem zum Landkreis Erding. Dass die Gemeinde Schnaupping aufgelöst wurde, kann man bedauern, es ist aber ein schöner Zufall der Geschichte, dass Weiher der politischen und kirchlichen Gemeinde Isen eingegliedert wurde, wie es ja ursprünglich war. Eindrucksvollstes Zeugnis der Ortsgeschichte Weihers legen aber nicht vereinzelte Urkundennotizen und Akten über Besitzverhältnisse ab, sondern die Laurentiuskirche. Weiher4 Das jetzige Gebäude wurde im 16. Jahrhundert erbaut, ist also der Spätgotik zuzurechnen, und so ist im Inneren des Gotteshauses auch ein spätgotisches Tonnengewölbe mit tiefen Stichkappen zu bewundern. Die Ausstattung ist aber – überraschenderweise – reiner Rokokostil, wie ihn um 1760 Künstler wie Matthias Fackler und Christian Jorhan pflegten. Das Hochaltargemälde zeigt Maria, begleitet von dem Diakon und Kirchenpatron Laurentius und Stephanus, der als erster Märtyrer und Diakon gut zu Laurentius passt. Oberhalb des Altargemäldes, im sogenannten Auszug, ist die Dreifaltigkeit dargestellt. Der linke Seitenaltar zeigt Maria mit dem Jesuskind, begleitet von den heiligen Mönchen Leonhard und Antonius (Rokokofi guren), im Auszug gekrönt von der hl. Ursula (Figur aus dem 19. Jahrhundert). Für den rechten Seitenaltar gilt im Hinblick auf die Entstehungszeit der Gemälde entsprechendes: Der hl. Josef mit Jesus auf dem Altargemälde wird begleitet von Johannes dem Täufer und einem Bischof, zwei Figuren aus der Rokokozeit, der hl. Christoph im Auszug dagegen wurde im 19. Jahrhundert angefertigt. Geschichte entsteht aus Geschichten, und so hat auch eine kleine Ortschaft wie Weiher eine große Geschichte – nämlich die vielen kleinen Begebenheiten von einzelnen Menschen, ihre Ängste, Sorgen, Freuden zu Hause, auf dem Feld, in Vereinen, bei den Hubertus-Schützen...

Reinold Härtel